… oder der lange Weg zum neuen Fahrwerk
Die Südfrankreichtour 2016 brachte den Beleg, das eine sportliche Fahrweise mit vollem Gepäck nicht ohne massiven Kontakt von einigen Bauteilen mit der Strasse möglich ist. Solange es nur die Fußrasten gewesen wären, wäre es kein Problem. Aber bei Bodenwellen in Schräglage setzte regelmäßig der Schalthebel mit auf.
Dabei drehte er sich nach hinten in Richtung Fußraste und es war kein Schalten mehr möglich. Da half nur anhalten und neu einstellen des Hebels!
Das vorhandene serienmäßige Sportfederbein war schon komplett vorgespannt. Das Heck war damit nicht weiter nach oben zu bringen. So reifte der Entschluss, daß ein neues Fahrwerk für die K1200RS beschafft werden musste. Es standen zwei Varianten zur Wahl, Wilbers oder Öhlins sollte beschafft werden. Von Öhlins hatte ich eine sehr gute Rückmeldung, da mein Freund Martin in seiner K1200RS Typ 589 ein Öhlins Fahrwerk verbaut hatte. Erste Sondierungen des Marktes ergaben Öhlins ist leider nicht mehr lieferbar. Hier wäre auch schon nach den alten Listenpreisen ein größerer Mehrpreis im vergleich zu Wilbers fällig.
Daher Kontaktaufnahme mit meinem Wilberslieferanten, nach der Übermittlung der technischen Eckdaten traf das Angebot ein, dieses war preislich in Ordnung. So gab ich grünes Licht für die Bestellung. Es mussten aber nur noch die Anbauposition der Anbauteile (Ausgleichsbehälter und Stellrad der Federvorspannung) abgestimmt werden. Hier war von Wilbers keine Bewegung in Sicht, mit ABE gibt es keine Möglichkeit hier was zu ändern. Auf der Suche nach Bildern über die Anbauweise des Ausgleichsbehälters und des Stellrades beim Öhlins Federbein wollte ich Wilbers vermitteln wie die Teile angebaut werden sollen. Martin sendete mir einen Screenshot einer Ebay Auktion. Welche ein nagelneues Öhlins Federbein für die K1200RS für einen sagenhaft niedrigen Preis zeigte. Der Verkäufer, die Firma Wunderlich in Sinzig, hatte noch ein hinteres Federbein im Lager, das aus einer Fehlbestellung stammte.
Nur das hintere Bein allein hätte mir nicht geholfen! Denn ich brauchte ja vorne auch eins. Also Kontaktaufnahme mit dem Wunderlich wie es aussieht wenn ich noch ein vorderes Federbein dazu bestelle.
Wir wurden uns einig, der günstige Preis für das hintere Bein blieb, ein vorderes Federbein wurde dazu bestellt. Die AB kam, die Ware wurde bezahlt und nach 6 Tagen klingelte der Postmann und ich war glücklicher Besitzer des letzten lieferbaren nagelneuen Öhlinsfahrwerks für die K1200RS.
Gleich am selben Abend wurde die 12er gestrippt und mit dem Einbau des vorderen Beins begonnen. Dazu wurde erst mal die komplette Verkleidung abgebaut und das Vorderrad kam raus. Dazu wurde der Motorheber unter das Motorrad gestellt um vorne anheben zu können.
Um den losgeschraubten Dämpfer aus dem Rahmen und den Teleleverlenker zu ziehen musste die Bremse von Gabel abgebaut werden, da diese sonst nicht weit genug abgesenkt werden kann.
Zum lösen des Stoßdämpers musste noch der Tank abgenommen werden und einer der linke Kühler musste raus. Nun konnte es an die Schrauben für den Stoßdämpfer gehen.
Nach einigen Widerständen der bestehenden Schrauben, gelang es die Verbindung des Federbeins an Rahmen und Längslenker zu lösen und das neue knallgelbe Öhlins einzubauen. Danach alles wieder rückwärts und nach knapp 3 Stunden war auch das Kühlsystem wieder entlüftet.
Nach ersten Überlegungen, am nächsten Tag weiter zu machen, fasste ich den Entschluss es doch an diesem Tag fertig zu machen.
Daher die nächsten Schritte für das Hintere Federbein waren:
- Hinterrad raus
- Innenkotflügel des Hinterrades abbauen, um das Handrad der Federvorspannung des Serienbeins zurückziehen zu können
- Befestigungsschrauben des Federbeins lösen
- Federbein heraus nehmen
- erst noch das Bremsflüssigkeitsresevoir hinten am Rahmen lösen um etwas mehr Spielraum zu erhalten
- altes Federbein vorsichtig ziehen.
Nun ging es wieder an den Zusammenbau. Neues Federbein und Anbauteile einfädeln, obere Schraube stecken.
Ähm … ja, stecken geht aber nicht komplett! Der Ansatz am Kopf der Schraube geht nicht in das Loch. Die Schraube steckt schräg. Kann nicht sein, nochmals ohne Schraube reingehalten und durch das Loch geschaut ob die Bohrungen fluchten.
Ähm … nö, die Bohrung der Federbeinaufnahme lag knapp 2 – 3 mm nach schräg hinten/oben versetzt zu den Bohrungen in den Rahmenaufnahmen.
Nach einigem hin und her Probieren, entschloss ich mich. Das Federbein nochmals zu ziehen. Beide Federbeine nebeneinander gelegt und mit der Schiebelehre gemessen. Öhlins hatte 35 mm Breite am oberen Aluminiumkopf des Federbeins, BMW hatte 29 mm am Stahkopf des Federbeins. Um weiter beweglich zu bleiben baute ich hinten das Serienbein wieder ein.
Da das Federbein nach Liste von Öhlins passen musste, kam ich zu dem Ergebnis: "Da passt was an dem Federbein nicht!"
Deswegen einpacken zurücksenden! Bericht mit Fotos und Fehlerbeschreibung erstellt und zurück Wunderlich.
Die Kollegen dort waren erst etwas verdutzt und prüften die Sache. Nach ein paar Tagen kam die Rückantwort das nicht festgestellt werden kann warum das Bein nicht passt. Sie bieten mir eine Rücknahme an und ggf. Wandlung in ein Wilbers Fahrwerk an.
Da ich zwischenzeitlich schon die ersten 1000 km mit dem vorderen Bein unterwegs war und völlig begeistert war über die Abstimmung des Federbeins. Wollte ich so schnell nicht aufgeben und wandte mich direkt an Öhlins. Dort fand ich einen kompetenten Herrn, der die Begeisterung für das Produkt mit mir teilte und mir Versprach sich mit um die Sache zu kümmern. Ich brachte ihn mit dem den Kollegen von Wunderlich in Kontakt und die Fehlersuche begann.
Bei meinen Recherchen im Internet stellte ich fest dass es für dieses Bein, auf Bildern von Öhlins, auch eine andere Aufnahme gab. Meine Bitte dies zu prüfen brachten aber das Ergebnis, das dieses Teil nicht für die K1200RS passt, und das Foto hier abweicht vom Serienstand. Um den Jungs von Wunderlich und Öhlins ausreichend Infos zu geben, machte ich am darauffolgenden Wochenende mit meiner kleinen Android Endoskop Kamera und meiner Fühlerlehre eine Bauraumuntersuchung.
Dabei stellte ich fest, dass vom Original Federbein zum Rautenmuster im Grund des Rahmens, zwischen den beiden Aufnahmelaschen nur 1,15 mm Spiel waren. Was in keinem Fall mit dem halben Differenzmaß der unterschiedlichen Kopfdicken zusammenpasste. Denn eine Kopfdicke von 35 mm (Öhlins) – 29 mm (BMW) = 6mm Differenz. Die Hälfte davon = 3 mm müssten nach unten noch Platz sein. Was aber nach der Messung nicht passte. Ich müsste also entweder den Rahmen oder das Federbein ändern.
Bei BMW ergab es in der ETK Suche, das der Typ 589 und die nachfolgen Typen K12 / K41 dieselbe Ersatzteilnummer beim Rahmen hatten.
Eine Rückfrage beim TÜV ergab, dass an den Bauteilen besonders am Rahmen auf keinen Fall eine Veränderung durchgeführt werden darf.
Ein erneutes Telefonat mit Öhlins erbrachte aufgrund dieser Info keine weitere positive Rückmeldung, im Gegenteil war mittlerweile mit dem Mutterhaus in Schweden Kontakt aufgenommen worden. Dort kam ebenfalls die Bestätigung dass das ausgelieferte Federbein so in Ordnung ist.
Nun kam mein Freund Martin wieder ins Spiel, denn es konnte nicht sein das es K1200RS gibt in die die Federbeine passen und in andere wohl nicht. Obwohl es eigentlich in diesem Bereich bei der Modellüberarbeitung keine Änderungen geben konnte.
Der Mitarbeiter von Öhlins fragte an ob ich mal das Federbein von meinem Freund Martin in meiner Maschine verbauen könnte. Nach einem Telefonat mit Martin, gab dieser grünes Licht. So bin ich am darauf folgenden Samstag die 250 km zu Ihm gefahren.
Vor dem Zerlegen, schaute ich mit den Endoskop in die Befestigung rein und stellte fest, das das Federbein gerade so in den Rahmen der 589 passte. Es scheuerte schon leicht am Rahmen, was aber nicht tragisch war, da nur eine minimale Stelle des Rautenmusters abgetragen war.
Dann zerlegten wir parallel unsere beiden K1200RS Motorräder um sein Federbein bei mir einzubauen. Nachdem er sein Bein gezogen hatte nahm ich das Maß vom Kopf und stellte fest das es ebenfalls 35 mm war. Skeptisch meinte ich, dass auch dieses Bein bei mir nicht passte.
Was sich im Verbauversuch auch so herausstellte. Bei einem direkten Vergleich der zwei Rahmen stellten wir fest, dass Bmw beim Facelift der K1200RS Typ K12/K 41 den Rahmen an dieser Stelle anders bearbeitet hatte. Das im Rahmengrund zwischen den beiden Laschen der beim Typ 589 vorhandene Absatz von ca. 3 mm nicht mehr vorhanden war. Wir gehen davon aus, dass beim Modellwechsel ein neues Gusswerkzeug genutzt wurde. Außerdem ist die Bearbeitung der Aufnahme nut gerade und nicht mehr rund gefräst.
Ob das nun auf den Verschleiß des bisherigen Werkzeugs oder auf einen Lieferantenwechsel und die dadurch notwendige neue Anfertigung der Gussform zurückzuführen ist konnte im Rahmen dieser Aktion nicht geklärt werden.
Fest steht nur das das originale Federbein von BMW in jeden der beiden Rahmen passt, daher wurde warscheinlich auch die Teilenummer des Rahmens nicht gändert und gilt für alle Modelle der K1200 Reihe mit liegendem 4 Zylinder Motor.
Traurig musste ich das Öhlins dann letztendlich doch zurückgeben.
Das Rücknahmeangebot wurde dann gewandelt in ein passendes Wilbers Fahrwerk, das seit letztem Wochenende verbaut ist. Wilbers hat im Gegensatz zu Öhlins einfach den unteren Teil des Aufnahmeauges auf dem Bandschleifer passend gemacht und das Auge danach eloxiert.
Es besteht noch ein kleiner Anpassungsbedarf für das Stellrad der Federvorspannung, da der von Wilbers vorgesehenen Platz hinter dem rechten Koffer schon ein Rohr des montierten GIVI Topcaseträgers belegt ist. Dieses Problem hatte ich bei der Wandlung von Öhlins auf Wilbers leider komplett ausgeblendet und nicht mehr daran gedacht.
Bis zur Änderung der Strahlfexleitung liegt das Handrad in Filz verpackt im Werkzeugfach unter der Sitzbank.
Die erste Probefahrt am Sonntag ergab ein völlig verändertes Motorrad. Die Vorderhand ist etwas sportlicher abgestimmt als mit dem, bis zum Ausbau ca. 4800 km, gefahrenen Öhlins Federbein. Aber hier ist ja noch etwas Spielraum in der Verstellung der Zugstufe vorhanden!
Der Unterschied zum 75.000 km gefahrenen hinteren original Federbein ist bombastisch. Beim Aufziehen des Gashahns, kein einknicken der Hinterhand mehr, eine sehr direkte Rückmeldung des Reifenzustandes an den Fahrer.
Es ist auch feststellbar das die Aufstandsfläche der Füße etwas kleiner wurde, da das Heck beim Aufsitzen nicht mehr so stark einsackt. Im Vergleich dazu hatte ich beim Serienfederbein die Feder bereits voll vorgespannt und konnte mit beidne Füßen schön auf dem Boden stehen. Beim Wilbers steht mir nun sogar noch der komplette Vorspannweg zur Verfügung.
Resümee der Aktion
Ein Öhlinsfahrwerk ist in der K1200RS leider nur im Typ 589 verbaubar. Auch wenn im Gutachten von Öhlins drin steht das es für den TYP K12 und K41 passt.
Deshalb Vorsicht beim Gebrauchtkauf auf Ebay oder bei anderen Quellen.
Die an Wunderlich zurückgegebenen Komponenten stehen für einen weiteren Verbau leider nicht zur Verfügung, da die Federbeine laut Öhlins zerlegt wurden.
Abschließend möchte ich mich bei den beteiligten Firmen Wunderlich und Öhlins für die Geduld und die Mühe bedanken, die mir bei meinen Telefonate, Mails und Nachfragen entgegengebracht wurde!